Wie Scham funktioniert

Scham ist wohl unser schmerzlichstes und zugleich „unsichtbarstes“ Gefühl. Sie entsteht, wenn unsere Intimsphäre verletzt wird, persönliche Dinge ungewollt sichtbar werden, wir negativ beurteilt werden oder wenn wir glauben, den Erwartungen anderer nicht zu entsprechen. Der altdeutsche Wortstamm scama  bedeutet „sich zudecken“. Wenn wir uns schämen, wollen wir uns verbergen, in Luft auflösen oder im Boden versinken. Wir ziehen uns zurück und versuchen, uns zu schützen.

Scham ist ein soziales Gefühl, mit dessen Hilfe wir Regeln und Normen unserer Umgebung erlernen. Da Scham uns zeigt, ob wir bei einem bestimmten Verhalten mit Unterstützung oder Ablehnung rechnen können, beeinflusst sie maßgeblich unser Verhalten.

Zudem fungiert Scham als Alarmsignal, wenn unser persönlicher oder intimer Raum verletzt wird. In dem Fall verschließen wir uns, um keine weiteren negativen Einflüsse in unser System zu lassen.

Scham geht oft mit Angst oder Vorfreude einher. Wir erwarten oder vermuten, wie andere wahrscheinlich reagieren. Welche Erfahrungen wir gemacht haben, beeinflusst unsere Erwartungen.

Großes Spektrum

Schamgefühle können unterschiedlich intensiv und lang andauernd sein. Verlegenheit gehört ebenso dazu wie Erröten, Befangenheit, Unwohlsein oder Peinlichkeit. Im schlimmsten Fall sorgt Scham dafür, dass wir existenzielle Selbstzweifel entwickeln. Je häufiger und intensiver wir Schamerfahrungen gemacht haben, desto stärker ist unsere Schambelastung, und umso häufiger können Situationen uns triggern.

Schamgefühle können kurzfristig auftreten oder auch chronifizieren. Welche Situationen Scham auslösen, ist von Mensch zu Mensch und von Kultur zu Kultur unterschiedlich. Die meisten Schamauslöser erlernen wir durch unsere Erziehung und unser kulturelles Umfeld. Aber auch missachtete Bedürfnisse erzeugen Scham. Folglich reagieren nicht alle Menschen auf bestimmte Situationen gleich. Was für den einen zutiefst beschämend ist, ist für den anderen gar kein Problem.