Auf dem Weg der Schamheilung durchlaufen wir – wie bei allen Krisen – verschiedene Phasen. Trauer und Schmerz sind hierbei wichtige Stationen.

Schamheilung hat auch mit Abschiednehmen zu tun. Es bedeutet, Vertrautes zu verlieren. Denn was vertraut war, muss uns nicht unbedingt gut getan haben.

Immer, wenn wir uns weiterbewegen, lassen wir auch Dinge oder Menschen hinter uns zurück. Menschen, die uns etwas bedeuten. Träume, die wir hatten. Hoffnungen, unerfüllte Sehnsüchte. Indem wir trauern, erkennen wir den Verlust an.

Zu trauern bedeutet, bereits einige Schritte auf dem Weg der Heilung gegangen zu sein. Es bedeutet, dass wir den Schock, die Angst, Leugnung, Wut und den Rückzug weitgehend überwunden haben. (Weitgehend deshalb, weil wir auch in bereits Durchlebtes zurückfallen können).

Trauer ist ein Beginn

Trauer ist der Beginn oder besser gesagt die Vorbereitung auf neue Aktivitäten. Die Tränen sorgen dafür, die lang aufrechterhaltene Schockstarre im Körper aufzuweichen. Auszuspülen. Das Gift darf gehen. Endlich.

Tränen bedeuten auch, dass ich bereit bin, der Wahrheit ins Gesicht zu blicken.

Das schmerzt. Sehr sogar.

Frische Brise

Doch nach der oft lähmenden Depression und Aussichtslosigkeit ist die Trauer wie eine frische Brise. Sie kühlt unser schamrotes, brennendes Gesicht und bringt einen Seufzer der Erleichterung mit sich. Sie schüttelt uns durch, bringt uns wieder in Bewegung. Endlich gestatten wir uns, etwas sein und gehen zu lassen. Welch eine Befreiung!

Zu trauern heißt aus meiner Sicht, den Tiefpunkt durchschritten zu haben. Wir sprechen nicht umsonst vom „Tal der Tränen“. Es geht wieder aufwärts. Es geht nach vorne. In uns glimmt wieder so etwas wie Hoffnung.

Auf nährendere, gesündere Begegnungen und Menschen. Auf Schutz und Sicherheit. Auf ein leichteres, freudvolleres Leben.

Jenseits der Scham, die uns so lange eingekerkert hat.