Es gibt wenige Dinge, die wir mehr fürchten als die Lächerlichkeit. Komödien bedienen sich dieser Angst mit großem Erfolg und zeigen uns noch fehlbarere Versionen unserer selbst. Dabei wohnt dem Humor eine große Heilkraft inne. Eine Heilkraft, die ich erst beginne zu erforschen.

Seien wir mal ehrlich. Lächerlichkeit trifft die Größten von uns. Als Stephen Hawing zum ersten Mal seine bahnbrechenden Ideen präsentierte, standen – jedenfalls, wenn man dem Film glaubt – reihenweise Koriphäen auf und verließen den Saal. Lächerlichkeit hat herzlich wenig mit Wahrheit zu tun. Oder genau genommen sogar sehr viel. Etwas oder jemanden lächerlich zu machen, ist eine Strategie, um sich die Wahrheit vom Hals zu halten.

Unser ureigenes Genie

Damit will ich nicht sagen, dass wir alle das Genie eines Stephen Hawking haben. Aber wir haben unser ganz ureigenes Genie. Ich kannte eine schwer geistig behinderte Frau, die hervorragend malen konnte. Einen Schulkameraden, der uns alle in Geschichte in die Tasche steckte. Eine Kollegin, die unglaubliche Puppenhäuser baute.

Wir sind fasziniert von besonderen Talenten. Und doch brauchen wir nicht diese Extreme, um zu uns selbst zu sagen: „Das ist genial!“

Ich habe, das kann ich ohne falsche Bescheidenheit sagen, eine Reihe von genialen Momenten erlebt. Momenten, wo das Erkennen so glasklar, das Wissen so destilliert und die Wahrheit meiner Einsicht so über jeden Zweifel erhaben war, dass es sich für einen Moment anfühlte, von den Göttern geküsst zu werden.

Leider ist es meist sehr ernüchternd, mit dieser Art Geistesblitz zum Rest der Bande zurückzukehren und zu versuchen, ihnen das eigene EUREKA mitzuteilen. Wahrscheinlicher ist, dass wir in große Augen blicken, manche ratlos, manche verwirrt und manche mit diesem unverkennbaren Ausdruck in den Augen. „Die tickt nicht ganz richtig …“

Prophet im eigenen Land

Noch vor ein paar Tagen las ich einen Artikel, in dem jemand die provokante Frage aufwarf, ob wir all unsere Heiler und Propheten unter Drogen setzen und in Anstalten stecken. Ich war nicht mit allem einverstanden, aber ich teile die Meinung, dass wir dazu neigen, die Dinge lächerlich zu machen, die wir nicht verstehen. Was lächerlich ist, ist uns nicht länger gefährlich.

Dies ist meines Erachtens auch der Grund, warum es stimmt, wenn wir sagen „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land“. Oft brauchen wir Distanz, um den wahren Wert von etwas begreifen zu können. Erst wenn wir zurücktreten und ein – sozusagen überpersonales – größeres Bild auf uns einwirken lassen, sehen wir vielleicht die tiefere Wahrheit.

Wenn es nicht passt

Und dann gibt es auch noch die Sache mit dem falschen Zeitpunkt. Ich habe oft verzweifelt versucht, anderen etwas zu erklären, was ich gerade voller Stolz begriffen hatte. Die Reaktion war oft enttäuschend. Doch heißt das deswegen, dass ich unrecht hatte? Nein. Es heißt lediglich, dass der andere eine andere Perspektive hatte. Andere Prioritäten. Oder nicht die gleichen Informationen. Manchmal bringen wir Dinge auch zum falschen Zeitpunkt an. Es ist für uns relevant, in diesem Moment. Aber nicht für den anderen.

Doch in der Perspektive liegt eins unserer größten Geschenke. Es gibt niemanden, keine zweite Person, die die Welt genau so sehen kann wie Sie. Niemanden. Das macht Sie unersetzlich! Wenn das keinen Wert in sich konstituieren würde. Seien Sie stolz auf sich!

Es gibt niemanden, der genau die gleichen Erfahrungen gemacht hat, die gleichen Fähigkeiten besitzt und die gleichen Schlüsse zieht wie Sie. Wenn andere Ihre Einsichten oder Lösungen nicht nachvollziehen können, heißt es nicht, dass Sie falsch liegen. Es heißt lediglich, dass die anderen unterschiedliche Puzzleteile haben.

Puzzleteile

Sehen Sie, auf dieser Website tue ich im Prinzip das gleiche. Ich habe einen großen Erfahrungsschatz. Aber ich bin nicht in der Lage, all dieses Wissen (mein vollständiges Bild) in einer einzigen Datenübertragung einem anderen zu übermitteln. Stattdessen widme ich mich einem Ausschnitt. Das ist wie ein Puzzleteil. Sie werden es gemäß Ihrer Erfahrungen in Ihr ganz persönliches Bild einfügen.

Haben wir genug Puzzleteile (Informationen) erhalten, beginnt sich irgendwann ein größeres Bild zu formen. Wir fangen an, auf einer neuen Ebene zu begreifen.

Voller Freude wollen wir dies dann der Umwelt mitteilen. Und ernten oft – Lächerlichkeit. Belächeln. Wohlwollendes Schulterklopfen. Oder auch Kopfschütteln. Die ganz Ehrlichen werden vielleicht sagen: Ich kann dir nicht folgen. Was dann der Warheit entspricht.

Von Berufs wegen lächerlich

Eine der eindrücklichsten Erfahrungen, die ich je machte, war die Begegnung mit meinem inneren Narren. Diejenigen, die an Vor- oder Parallelleben glauben, könnten sagen, ich habe dieses Leben einmal gelebt. Andere können sagen, es sei einfach eine Metapher gewesen, und auch das trifft zu. Letztlich spielt es keine Rolle. Es war bedeutsam. Und das ist, was zählt.

Ich sah mich jedenfalls als diesen kleinen, schrumpeligen und hässlichen Hofnarren, der immer und jederzeit die Wahrheit sprach. Und doch durfte er dies nur ungestraft tun, weil er „von Berufs wegen“ der Lächerlichkeit preisgegeben war.

Lachen

Lachen erzeugt Distanz in uns. Lachen entschärft. Es trennt uns von der Erfahrung der anderen Person. Wir erleben einen Moment des Erkennens, und für diesen kurzen Moment spüren wir die Wahrheit im anderen. Unsere Wahrheit. Die Wahrheit, dass wir genauso „lächerlich“ sind wie er. Genauso unvollkommen. Genauso träumerisch. Genauso größenwahnsinnig. Genauso genial. Genauso verstoßen.

Doch dann wischen wir es schnell wieder fort. Es spricht nur der Narr. Nichts, was wir ernst nehmen müssten.

Der Narr

Die Rolle des Narren war – und ist – extrem schmerzhaft. Denn der Narr sieht. Der Narr spürt. Und er spricht. In vielen Abbildungen trägt er einen Spiegel in der Hand.

Dennoch findet er kein Gehör. Oder doch nur selten. Denn es bedarf eines Menschen, der bereit ist, in den Spiegel zu blicken. Für diese wenigen Momente lebt der Narr. Für den Moment des Sehens. Den Moment, wo jemand seine Worte begreift. Und nicht lacht, sondern die Wahrheit anerkennt.

Der Narr spürt seine eigene Hässlichkeit. Er hat oft in den Spiegel geblickt. Er kennt seine Scham. Sein Nichtgewolltsein. Seine Andersartigkeit, die andere gleichermaßen fasziniert und abstößt.

Im Tarot entspricht der Narr der Null. Dem Anfang.

Der Narr bewahrt unser tiefstes Potenzial. Er steht am Anfang der großen Reise.

Dort, wo der Narr ist, ist alles möglich.

Hören wir auf, ihn zu verlachen. Vielleicht ist er das Beste, was wir haben.